Glasbergbutz - Neues Projekt

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Glasbergbutz

Narrenkleider

Die Sage vom Glasbergbutz

 
Laß dir die Geschichte vom gläsernen Berg erzählen. Da denkst du gewiß an einen hohen Berg, durch und durch aus Glas, die Wälder, die Wiesen, die Felsen, und der Schnee auf dem Gipfel, alles aus reinem, buntem Glas. Der Himmel scheint tiefblau durch all die gläserne Herrlichkeit und die Sonne spielt dann in allen Farben des Regenbogens.

Nein, so hat er nicht ausgesehen. Wohl aber war‘s ein Berg wie viele seinesgleichen im Schwarzwald, der hoch und kühn ins Tal hinabschaute mit einem unergründlichen Wald auf seinem Rücken und vielen Quellen, die in munteren Bächen ins Tal hüpften. Der Wald stand seit unvordenklicher Zeit, und die Bäume wuchsen darin, bis sie vom Blitz zerschlagen oder vom Sturm geknickt umsanken. An ihren gewaltigen hölzernen Leibern klopften die Spechte, wuchsen die Pilze groß wie Teller, bohrten Käfer und Würmer, bis sie, zu MuIm zerfallen, der Erde zurückgegeben wurden

 
Dies war der Bannwald, und die Bewohner im Tal hüteten seit alter Zeit diesen Wald wie ein Heiligtum. Kein Schuß fiel, selten störte ein Axtschlag die Stille. Denn es war altüberkommene Sitte, das Holz für die Wiegen aus dem Bannwald zu holen. War ein Knäblein geboren, so wurd‘s in eine Wiege aus Eschenholz gelegt, und für die Mägdlein wußten die Schreiner bunte Wiegen aus Ulmenholz zu fertigen. Die Holzfäller achteten darauf, ob der Klang der Axt hell und froh war. Dies nahm man für eine gute Vorbedeutung für das Leben des Kindes. Einstmals, als einem Köhler, der seine Hütte unweit am Waldrand stehen hatte, ein Knäblein geboren wurde und die Holzfäller hingingen, eine Esche zu fällen, da klangen die Axthiebe, als wäre Glas zersprungen.

Und als sie in ihrer Arbeit innehlelten. trippelte hinter dem Stamm ein kleines Männlein hervor mit spitzigem, grünem Hütlein, zwei schwarzen. klugen Äuglein und einem roten, spitzen Bart. Das sprach:
> Ich bin der Zwerg
Vom gläsemen Berg.
Glühend und rund,
Zierlich und bunt
ist meine Kunst.
Doch greifet mich nicht:
Glas, Glas zerbricht!. <
Da bemerkten die Holzhauer, daß das Männlein an Leib, Gliedern und Gewandung ganz durchsichtig von allerfeinstem Glas war, sich gleichwohl bewegte, als wär‘s von Fleisch und Bein, und Kittel, Hose und Strümpfe schienen von schmiegsamer Seide. Aber gleich war das Männlein wieder hinterm Stamm verschwunden, und weg war‘s, die Holzhauer mochten suchen, so lange sie wollten.

Beim Taufschmaus erzählten sie die seltsame Begegnung dem Köhler und meinten, das Glasmännlein sei ein gutes Geistlein und habe was Besonderes für das Leben des Knäbleins zu bedeuten. >Gott allein wird wissen, ob‘s ein gutes Vorzeichen ist,< meinte der Vater, doch gäbe er nicht allzuviel darauf.

Das Knäblein wurde Peter genannt, und die Mutter legte es in die Eschenwiege. Es wuchs heran in der Freiheit des Waldes. Bald hütete Peter die beiden Legen am Waldrand oder half der Mutter im Krautgärtlein. Und wie er größer und stärker wurde, legte er Hand mit an, wenn der Vater den Meiler schichtete, wachte auch des Nachts am rauchenden Kohlenhaufen, damit die Glut nicht ausbräche, oder lud die Kohlbennen, wenn die Kohle fertig gebrannt und gelöscht war. Dann geschah‘s wohl auch, daß er mit dem Kohlwagen weit, weit ins Tal hinab fuhr. > Er wird einmal ein Köhler. < sagte der Vater. Und der Mutter war‘s recht, hatte doch alle das Köhlerhandwerk ernährt, so weit sie zurückdenken konnte: den Großvater und den Urahn. Doch eines Tages erklärte der Peter rundheraus, er wolle nicht bei der Köhlerei bleiben, vielmehr in der Glashütte um Arbeit nachsuchen. Der Vater möge seine Einwilligung geben. Der erschrak und dachte an die Begegnung im Bannwald, damals, als sie das Holz zur Wiege holten. > Peter,.< sagte er, > ist dir deines Vaters Handwerk nicht gut genug?< > Nicht doch, Vater, < antwortete dieser, > hab ich doch bei dir gearbeitet. Aber ich bitte dich, laß mich gewähren, ich werde mein Brot redlich verdienen! Mehr kann ich dir nicht sagen, darf ich nicht sagen. Jetzt noch nicht!< >Dir ist das Glasmännlein begegnet,< rief der Vater, >ist‘s an dem, so will ich nicht weiter fragen..< Peter erwiderte nichts, ging aber anderntags zur Glashütte und wurde vom Hüttenmeister in die Lehre genommen.

Mit der Glashütte hatte es folgende Bewandtnis: Im jenseitigen Tal entsprang eine Quelle von wundersamer Heilwirkung, die man gemeinhin den Sauerbrunnen nannte. Dahin kamen die Leute mit allerlei Krankheiten und suchten durch Trinken und Baden ihr Leiden zu lindern und wieder gesund zu werden: Der eine mit lahmen Beinen, der zweite mit Gallensteinen, der dritte hat zu schwer getragen, und jenem drückt‘s auf den Magen. Ein anderer wieder tut nur so, der ist zu dick und jener zu schlank Und der neunte ist überhaupt nicht krank. Da man auch in den Badhäusern gut aß, tanzte und spielte, so kamen auch viele um des Vergnügens willen und um sich gegenseitig zu zeigen, daß man Lebensart hätte und sich gut zu kleiden verstünde. Auch füllte man den Sauerbrunnen in gläserne Flaschen, verschloß sie sorgfältig und verschickte sie weithin ins Land. Darin hielt sich das Wasser frisch, und man sah die Brunnengeistlein sprudeln und perlen, wenn man den Stöpsel abnahm. Diese Flaschen nannte man ‘Schlegel‘. Und waren erst Hunderte, die man nötig hatte, so wurden‘s bald Tausende, hernach Zehntausende, in denen der Sauerbrunnen ins Land gebracht wurde. Da war ein Hüttenmeister von weither zugereist, hatte sich im Tal niedergelassen und eine Glashütte gebaut. Denn hier gab‘s schönen hellen Sand, den man für den Glassud nötig hatte, und Holz gab‘s in den Wäldern. Das brauchte man für die Pottasche und zum Heizen des großen Heizofens. Die halbnackten Gesellen standen Tag und Nacht an den glühenden Mäulern des Glasofens, tauchten ihre Eisenrohr,. die sie >Glaspfeifen< nannten, in den glühenden Glasfluss, daß ein Klumpen zähen Glases daran hängen blieb. Dann formten sie die Schlegel, indem sie die Pfeife an den Mund setzten, hin- und herschwenkten, drehten und unablässig aus voller Lunge bliesen und die noch immer glühenden Schlegel in eiserne Formen drückten.

Andere eilten herbei; das waren die Flaschenträger. Sie nahmen die glühenden Schlegel ab und trugen sie nach dem Kühlofen. Das war ein Feuerreigen, gar schön anzuschauen, zumal des Nachts, wenn die rotglühenden Flaschen hinter den Fenstern der Glashütte geschwungen und weggetragen wurden und der Ofen seinen Glutschein in den dunklen Wald warf. Allein die Gesellen vermochten ihrer Arbeit nicht froh zu werden, denn der Hüttenmeister hatte ein hartes Herz. Er war rasch zu Geld gekommen, und je mehr sein Reichtum wuchs, umso mehr drängte er seine Gesellen zur Arbeit und umso geringeren Lohn wollte er bezahlen. Er selbst lebte wie Graf Göckele, und nichts machte ihm mehr Vergnügen, als nach dem Sauerbrunnen zu reiten, gut zu essen und schwer zu zechen, mit schönen Frauen zu tanzen und sein Glück auf der Spielbank zu versuchen. Peter arbeitete willig und geschickt. Ja, nach kurzer Zeit war er der geschickteste Gesell, wußte mehr als der Meister, hatte auch allzeit ein gutes Auskommen. Er half seinen Mitgesellen, und wo einer in Not war, borgte er ihm ein paar Gulden aus und nie verlangte er das Geld zurück. Auch besuchte er kranke Gesellen,die nicht mehr arbeiten konnten, denn viele Glasbläser bekamen‘s auf der Lunge und starben allzu früh. Wenn Peter im Tal seine Besuche gemacht oder im Vorbeigehen ein paar freundliche Worte gewechselt oder etwas Geld auf den Tisch gelegt hatte, holte er zuweilen aus seinem Rucksack Geschenke für die Kinder heraus. >Rat mal, blonde Anngret, was ich für dich habe?< >Gewiß ein Rehlein!< >Und für mich ein Pferdlein!< rief der kleine Martin. >Und fürs Bärbele einen Hirsch mit zackigem Geweih, gelt Glaspeter?< Ja, so war‘s: Peter, unser Glaspeter, holte wie ein Zauberer alles aus seinem Rucksack heraus, und alle Tierlein waren aus Glas, mit feinen Gliedern, bunt und durchsichtig und von der Größe, die eine Kinderhand zu spannen vermag. Da leucheteten die Augen der Kinder und sie wurden nicht müde, ihre Tierlein aufmarschieren zu lassen, sie in Höhlen oder StälIe zu sperren und ihnen bunte Gärten mit Kieselsteinen und Schneckenhäuschen zu bauen. Und Scherben gab‘s allemal und wohl auch Tränen dabei. >Glaspeter, Huckepack, tu auf, tu auf den Sack. Heraus ihr Rehlein auf gläsernen Zehlein, mit spitzem Geweih, ihr Hirsche herbei! Die Rößlein laß traben, der Fuchs schleicht im Graben, Stier, Kälblein und Kuh, den Hirten dazu aus buntem Glas. Glaspeter, schenk uns was! Huckepack, Huckepack, tu auf den Sack!< Niemand wußte, woher Peter die Tierlein brachte. Wenn ihn jemand fragte, ober sie selbst gefertigt habe, da machte Peter ein geheimnisvolles Gesicht und sagte: >Ei gewiß, wer denn sonst?< Und wer ihn diese Kunst gelehrt habe? >Die wurde mir in die Wiege mitgegeben!<

Die einen sagten, Peter habe seine Kunst beim Glasmännlein im Bannwald gelernt, denn in der Hütte gäbe es kein Glas von solcher Feinheit und Reinheit der Farbe. Andere, die dem Peter feind waren, meinten, er habe sich dem Teufel verschrieben. Woher sollte er das viele Geld haben? Aber seine Kunst sei eine alberne Spielerei. Seinem Vater hatte er einst gesagt: >Wenn ich des Nachts einmal nicht in meiner Kammer sein sollte, so forsche mir nicht nach.< Und da Peter ohnedies viel auf Nachtschicht in der Glashütte arbeitete, so fiel es nicht auf, daß er sich zuweilen aus der Kammer schlich, aber nicht den Weg rechts abbog, der zur Glashütte führte, sondern geradeaus den Pfad zum Bannwald hinanstieg. Von diesen Gängen kehrte er erst im Morgengrauen zurück und erzählte niemals, wo er gewesen sei.

Unterdessen nahm die Arbeit in der Glashütte ihren Fortgang. Der Flaschenhandel kam noch mehr in die Blüte und brachte dem Hüttenmeister mehr Reichtum als ihm zuträglich war. Die Glashütte brauchte Holz, viel Holz. und immer mehr Holz. Axt und Säge ruhten nimmer. >Die Glashütte frißt unsere Wälder,< sagten die Talleute, >aber der Hüttenmeister möge sich vorsehen, wenn er sich an unserem Bannwald vergreift!.< > Das bringt Unglück; es ist unser alter, heiliger Wald, der Wald unserer Wiegen, und wer an ihm frevelt, der wird umkommen.< sagten die andern. Als der Hüttenmeister die Anordnung gab, den Bannwald fällen zu lassen, trat Peter vor ihn hin und sagte entschlossen: >Meister, laßt Eure Hand vorn Bannwald. Wohl habt ihr einen Teil des Waldes aufgekauft; wenn Ihr ihn aber zu Geld macht, so kommt das Unglück über Euch.< Der erwiderte verärgert: >Peter, das ist meine Sache! Wer hat dir geboten, mich zu beschwatzen?< Aber Peter antwortete: >Die Leute im Tal werden Euch aufsässig, wenn Ihr keine Ehrfurcht vor dem alten, heiligen Bannwald zeigt! Ehrfurcht, Meister, die fehlt Euch!<

>Schweig!< schrie der Angeredete, >nichtsnutziges Volk seid ihr Waldbauem! Da kommst du mit deinem albernen Ammenmärchen und willst mich zurechtweisen. Ehrfurcht, he, was heißt Ehrfurcht? Vor diesem hier sollst du Ehrfurcht haben, du Wassersuppenschlürfer!< Dabei hielt er ihm ein Geldstück Florentiner Prägung unter die Nase. >Vermessen seid Ihr, Meister, und wißt nicht wie ihr frevelt! Laßt Ihr aber den Bannwald fällen, so muß ich wohl gehen..< Und Glaspeter ging ohne Gruß und kehrte nimmer zu seinem Arbeitsplatz in der Glashütte zurück. Selben Tag war der Hüttenmeister zum Sauerbrunnen geritten, um seine schlechte Laune zu vertreiben, hatte beim Gastmeister gute Zeche gemacht, hatte getanzt und gespielt, zuletzt auch einen guten Handel in Schlegeln abgeschlossen. Als er in sternenklarer Nacht übers Gebirge zurückritt und unweit des Bannwaldes an die Wegkreuzung gelangte, bemerkte er einen Mann den schmalen Bergpfad gegen den Bannwald schreiten. Der Hüttenmeister hielt inne. Der Gestalt nach mochte es Glaspeter gewesen sein. Gewiß, es war Peter. Was mochte er zur Nachtzeit vorhaben? Der Hüttenmeister stieg ab, band das Pferd an einen Baum und schlich Peter nach, vorsichtig, Schritt um Schritt, zuletzt auf schmalen, halbverwachsenen Wildpfaden. Peter hielt an der Stelle, wo man nach seiner Geburt seinen Wiegenbaum gefällt hatte und sprach deutlich:
>Zwerg, Zwerg
Vom gläsemen Berg,
Glühend und rund,
Zierlich und bunt
ist deine Kunst.
Tu auf dein Tor,
Komm hervor!<
Da quoll aus dem Waldboden eine glühende Glaskugel, nicht größer als ein Fliegenpilz. Sie wölbte sich rasch höher und wuchs in die Breite, dehnte sich gewaltig zur Größe eines Kohlenmeilers. Es war ein wundersam leuchtender, gläserner Berg und inmitten loderte eine spitze Flamme. Der Hüttenmeister hielt sich hinter einem Fichtenstamm verborgen und betrachtete das seltsame Schauspiel. Wie er genauer hinsah, glich das Flämmlein im Glasberg einem Zwerg mit spitzem Hütlein, der wie toll auf einem Beine tanzte, daß die Spitze seines roten Bartes bald rechts, bald links hinausflog. Mit einem Ruck stand das Männlein still, teilte mit einer Glaspfeife die Wand des Glasberges, daß eine breite Offnung entstand. Peter, der dieser Erscheinung längst gewohnt, nahe dabei gestanden hatte, trat durch die Offnung in den Glasberg, worauf dieser rasch kleiner wurde, zusammensank und erlosch. >So ist das Gerücht um Peter doch wahr,< murmelte der Hüttenmeister und ging unschlüssig hin und her. >Aber auch ich will zum Glasmännlein und die geheime Kunst kennenlernen. Damit will ich Geld verdienen, viel Geld, noch mehr Geld. Das will ich!< Er trat zur Stelle, wo vorher Peter gestanden hatte, und sagte erregt das Sprüchlein, das er sich wohl gemerkt hatte: >Zwerg, Zwerg Vom gläsernen Berg, Glühend und rund, Zierlich und bunt Ist deine Kunst. Tu auf dein Tor. Komm hervor!< Und alles geschah wie zuerst. Als er in den gläsemen Berg eingetreten und mit ihm im Boden versunken war, sah er sich im engen Geklüft des Berges und stieg über ungefüge Stufen, bald nach rechts, bald links sich wendend, in die Tiefe. Das Glasmännlein hüpfte munter vor ihm her. Zuletzt ging‘s über gläserne Stufen, die in mattgrünem Licht schimmerten. Dann trippelte es über eine gläserne Brücke, die über einen blauen Glasfluß hinweg in eine große Halle führte. Das Männlein hielt inne, wandte sich um und sah mit seinen schwarzen Kugelaugen dem Hüttenmeister scharf ins Gesicht. >Hüttenmeister,< sagte das Männlein, >ich weiß, was du bei mir suchst. Allein, meine Kunst habe ich noch niemand verschenkt. Willst du sie erlernen, so magst du Gesell bei mir sein, wie es vordem Glaspeter getan hat. Zuvor aber will ich dein Herz prüfen und du magst selbst sehen, ob du dieser Aufgabe würdig bist.< Der Hüttenmeister, dieser zudringlichen Ansprache ungewohnt, meinte verstimmt: >Glasmännlein, sag mir, wo ist der Peter, der vor mir in den Berg gestiegen ist? Er ist im Trotz von seiner Arbeit fortgelaufen. Er hat sich vorlaut in meine Sache gemischt. Der hat seine Kunst schlecht verstanden, warf sein Geld hinaus, verdarb meine Arbeiter und verwöhnte die Kinder.< Das Glasmännlein gab keine Antwort, tat vielmehr einen scharfen Pfiff durch ein Pfeiflein. Da stand plötzlich ein Tiegel glühenden Glasflusses vor ihm.Auch bemerkte der Hüttenmeister, daß rings auf den Felsstufen die seltensten Glasgeräte standen: Schalen und Becher aus tiefleuchtendem, blauem Kobaltglas, grüne Kelche mit reinstem Lasurstein gefärbt, Kristalle aus flammendem Rubinglas, Flaschen und Trinkgerät, denen der gemeine Psilomelan die Farben gegeben hatte, braun, oliv und mattgrün. Auch standen allerlei zierliche Glastierchen dazwischen, wie sie Peter angefertigt und den Kindern geschenkt hatte. >Die alles vermag meine Kunst,< hob das Männlein an, >so man die Erze wohl zu bereiten, zu scheiden und rüsten weiß, die der Berg in verborgenen Adern hält: Kobalt und Kupfer, Silber, daraus die Spiegel, und Gold, daraus die leuchtenden Rubine zu machen sind, Eisen und Mangan. Und zum Glassud den weißen, gelben und roten Quarzsand, den reinen Kalk von den Felsen, die Pottasche, so von den Bäumen kommt.< Da reichte das Glasmännlein dem Hüttenmeister eine Glaspfeife, deutete auf den Tiegel mit dem Glassud und sagte: >Nun, mach deine Probe mit diesem hier. Du mußt mit der Pfeife in den Glassud blasen, so stark du vermagst.< Der Hüttenmeister tats, und wie er blies, gingen in dem flüssigen Glas Blasen auf, als wär‘s Seifenschaum. Bunte, zarte Kugeln türmten sich aufeinander, drängten von unten nach und schäumten über den Matenrand. Das Männlein sprach: >Steige, Schaum, Hebe dich, Traum aus dem Grunde. — Eine Stunde, Eine flüchtige Stunde währt nicht lang. Glas zersprang. Leben ist Glas und Schaum, Hebe dich, Traum!< >Nun ist‘s genug,< fuhr das Männlein fort. >Was soll der Unfug?< rief der Hüttenmeister erzürnt, >soll ich Seifenschaum blasen? Dazu magst du den Glaspeter nehmen!< >Betracht dir‘s genau, Hüttenmeister, sieh an, was du zustande gebracht hast!< Der Hüttenmeister besah sich genau die luftigen Glaskugeln. >Ja. nun seh ichs,< sagte er, >da spiegeln sich Leute drin, Männer, Frauen und Kinder, jeder in seiner besonderen Kugel, als ob’s ein Kämmerlein wär, und Häuser, Bäume, Gärten, Felder und Berge.< >Was tun die Leute?< fragte das Glasmänrilein. >Oh, da ist einer, sieht aus wie der Glas-Sepp, der trägt Flachs in einer Gräze übers Gebirge. Er schmuggelt wohl über die Grenze? Was, du Lump, du schmuggelst?< Glasmännlein antwortete: >Ja, es ist der Glas-Sepp, und er schmuggelt, weil er in der Glashütte zu wenig verdient, obwohl er fleißig arbeitet. Aber wenn die Redlichkeit nicht vergolten wird, muß sie sich zuweilen auf krummen Wegen durchbeißen.< >Ins Gefängnis gehört der Lump!< antwortete der Hüttenmeister. >So?< sagte Glasmännlein gedehnt. >Und was kannst du noch sehen?< >Ei, da liegt einer im Bett, obwohl die Sonne zum Fenster hereinscheint. Der hat wohl zuviel getrunken und mag nicht arbeiten,< meinte der Hüttenmeister. Das Männlein antwortete: >Das ist der Michel, der bei dir gearbeitet hat. Nun ist er krank auf der Lunge und du hast ihn weggeschickt und zahlst ihm nichts mehr, obwohl er sein Lebtag für deinen Geldsack geschuftet hat!< >Du lügst, elender Zwerg! Willst du mich beschimpfen?< schrie der Hüttenmeister. In diesem Augenblick löste sich die Glaskugel, schwebte hoch, schillerte tausendfarbig und zersprang, als ob‘s eine Seifenblase gewesen wäre. >Nun ist der Michel gestorben. Gott sei seiner Seele gnädig!< sagte Glasmännlein und nahm sein Hütlein ab. Der Hüttenmeister hüstelte verlegen. Er wollte nicht mehr an den Michel erinnert sein und sagte nach einer Pause: >Ei, da in der Kugel sind welche, die fällen Bäume, ah, sie fällen die großen Bäume, die Buchen und Fichten im Bannwald.< Da trat das Glasmännlein dicht vor ihn hin und sah ihn zornig an: >Meisterlein, laß die Hand vom Bannwald! Es ist heiliger Wald, aus dem man seit uralter Zeit das Holz für die Wiegen holt! Wer aber an ihm frevelt und um des Geldes willen Bäume fällt, der schlägt das Holz zu seinem eigenen Sarg!< >Du lügst, elender Zwerg, oh alles ist Lüge! Zertreten will ich dich, lächerliches Geschöpf!< rief der Hüttenmeister und wollte das Glasmännlein am Bart greifen. 0, wie schnell zog er die Hand zurück, denn das Männlein war plötzlich aus glühendem Glas und funkelte seinen Gegner mit zomigen Augen an. >Vermessener, sieh, was du getan hast!< Da sah der Hüttenmeister im Spiegel einer großen schillernden Glaskugel seine Hütte in hellen Flammen stehen. Die Fenster waren zersprungen, der Giebel stürzte zusammen, und alles war in Rauch und Flammen gehüllt. Der Hüttenmeister stand vor Entsetzen gelähmt. >Meine Glashütte brennt!< schrie er, dann griff er die Glaspfeife und schleuderte sie in ohnmächtiger Wut gegen das Männlein. Glas klirrte, es dröhnte und rollte wie ferner Donner. Am nächsten Morgen fand der Glas-Sepp bei seinem Schmuggelgang übers Gebirge den Hüttenmeister erschlagen bei seinem Pferde liegen. Und da in selbiger Nacht auch die Glashütte abgebrannt war, so glaubte man an den Überfall einer Räuberbande.

Glaspeter allein wußte, wie es sich in Wahrheit zugetragen hatte, aber er schwieg. Er baute die Glashütte wieder auf, fertigte wie zuvor Schlegel und Gläser an, erfand auch die feintönenden Glasglocken, mit denen die hölzernen Schwarzwalduhren die Stunden ansagten. Er zahlte seine Gesellen ordentlich und versuchte, jedermann gerecht zu behandeln. Auch heiratete er ein braves Mädchen aus dem Tal, und aus dem Bannwald, der sich unberührt und gewaltig überm Tal erhob, kamen bald Wiegen ins Haus, eschene und ulmene, für Knäblein und Mägdlein. Und bald spielten seine eigenen Kinder mit den zierlichen Glastierlein. Glaspeter ist längst tot. Die Glashütte ist zerfallen. Obs Glasmännlein noch aus dem Berg kommt, wenn man das Sprüchlein sagt? Wer weiß? Aber nun wißt ihr, woher der Glaswald seinen Namen hat


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